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5 Fragen an… Silvio Hagemann

Bei 5 Fragen an… beantworten regel­mäßig Entscheidungs­träger und Experten unterschiedlicher Fachgebiete Fragen zu aktuellen Themen rund um Digitalisierung, Finanzierung und Mittelstand. Silvio Hagemann leitet bei der Deutschen Kreditbank AG (DKB) den Fachbereich Wohnen und koordiniert dabei mehr als 150 Mitarbeiter.

5 Fragen an... Silvio Hagemann

Silvio Hagemann ist seit Ende 2013 Fachbereichs­leiter Wohnen der Deutschen Kreditbank AG, zuvor arbeitete er 10 Jahre im Vertrieb. In der Kunden­gruppe Wohnen der DKB um­sorgen mehr als 150 Mit­arbeiter an 27 Stand­orten Wohnungs­unternehmen, bestands­haltende Investoren und Bauträger in aus­gewählten Ziel­regionen. Die DKB verzeichnet die höchsten Markt­anteile bei den Wohnungs­unternehmen. Fast zwei Drittel der Wohnungs­unternehmen Deutschlands stehen mit der DKB in einer Geschäfts­beziehung. Die DKB setzt sich als Bank der Wohnungs­wirtschaft das Ziel, mehr als nur ein Fremd­kapital­geber zu sein. Zu ihren Angeboten zählen virtuelle Konten, Refinanzierungs­modelle, die Einbindung von Förder­darlehen und EDV-technische Lösungen rund um die Bewirt­schaftung und Verwaltung von Immobilien­beständen.

COMPEON: Herr Hagemann, als Leiter der Kunden­gruppe Wohnen in der DKB sind Sie Experte für das wohn­wirtschaft­liche Segment und verantwortlich für die Kunden­gruppen Wohnungs­unter­nehmen, bestands­haltende Investoren und wohn­wirtschaft­liche Entwickler. Die digitale Revolution erfasst auch diesen Bereich – Stichwort Smart Cities: Wie beur­teilen Sie diese Entwicklung und wie sieht es von Seiten der Finanzierung ganz­heitlicher und komplexer Projekte bei diesem Thema aus? Gibt es da Besonder­heiten, die Projekt­entwickler und auch Bestands­halter berück­sichtigen müssen?

Silvio Hagemann: Wenn ich den Begriff „smart cities“ höre, dann gebe ich zu, dass ich zuallererst nicht an die Städte in Deut­schland denke. Unsere Städte sind mitunter 1000 Jahre alt und älter. Um eine Stadt nach heutigen Bedürfnissen und Erfahrungen „smart“ konzipieren zu können, müsste man auf der grünen Wiese eine komplett neue Stadt auf­bauen. Platz dafür wäre in Deutsch­land vorhanden. Nachdem in vielen Teilen des Landes seit 20 Jahren nicht mehr neu gebaut worden ist und man sich bis vor etwa fünf Jahren eher mit Schrumpfung als mit wachsenden Städten beschäf­tigte, hat sich dieser Trend massiv umgekehrt. Es herrscht eine hohe Dynamik und die Administra­tionen sind über­fordert.

Deshalb befinden wir uns aktuell in der Situation, dass in den Wachstums­städten Neubau­gebiete in kürzester Zeit aus dem Boden gestampft werden. Ein komplett neues Verkehrs­konzept schließt sich nahezu aus, weil beispiels­weise keine U-Bahn-Trassen in zehn Jahren gebaut werden können, wenn man schon über zehn Jahre Vorlauf- und Genehmigungs­zeit benötigt. Vielmehr konzentriert sich „smart“ auf Energie­konzepte in Kombination mit modernen Wohn­konzepten. Smart wäre es auch, an die Menschen zu denken, die man in die neuen Wohn­gebiete „locken“ will.

»Ich sehe es kritisch, dass die Planung der sozialen Infrastruktur meist mit dem Neu­bau des nächsten Super­markts im Wohngebiet endet. Wo bleiben die Kinder­tages­stätten, Schulen, ambulanten Kranken- und Pflege­stationen, Kranken­häuser, Sport- und Freizeit­einrichtungen? «

Den Akteuren auf dem Immobilien­markt wird es nicht leicht gemacht, wenn sie Neubau­projekte initiieren. Wenn wir in Zukunft lebens­würdige Städte und Lebens­räume vorfinden wollen, muss ein Umdenken bei der Ausge­staltung der Ordnungspolitik, dem Zusammen­spiel von Bürger und Investor sowie der Einbindung der Administrationen erfolgen. Ich hoffe, dass es dafür nicht zu spät ist, denn die Fehler der 70er Jahre, als in kürzester Zeit Neubau­gebiete entwickelt worden sind, dürfen sich nicht wieder­holen. Doch eine Stadt im bewohnten und wachsenden Zustand umzu­bauen und zu modernisieren, ist eine Herkules­aufgabe. Davon gibt es in Deutsch­land zu viele. Es wäre schön, wenn bei einer Stadt konsequent der Anfang gemacht werden würde. Das sehe ich aber leider noch nicht.

Schauen wir deshalb nach Südost­asien: nach China. Die visionären Konzepte lassen sich in China anscheinend ver­wirklichen. 2020 soll Liuzhou Forest City fertig­gestellt sein, 30.000 Einwohner beher­bergen und beinahe 10.000 Tonnen CO2 und 57 Tonnen Schad­stoffe pro Jahr auf­nehmen. Außerdem sollen 900 Tonnen Sauer­stoff produziert werden, damit nicht nur die Luft­qualität verbessert, sondern auch der Arten­reichtum von Vögeln und Insekten gefördert wird. Elektro­mobilität und der Einsatz von regenerativen Energien sind von Anfang an im Stadt­konzept berück­sichtigt.

COMPEON: Die Digitalisierung hat nicht nur auf Projekt­entwick­lungen Auswirkungen, sondern auf alle Bereiche in der Finanz­branche – das spürt man vor allem im Privat­kunden­bereich, aber auch Prozesse und Abläufe bei Geschäfts­kunden werden immer digitaler. Wo sehen Sie hier die größten Vorteile, die sich durch diesen Wandel in Zukunft für gewerbliche Kunden ergeben werden?

Silvio Hagemann: In erster Linie hält im Geschäfts­kunden­bereich der Platt­formgedanke, wie er sich seit etwa zehn Jahren im Privat­kunden­segment der Immobilien­finanzierung etabliert hat, Einzug. Dabei geht es nicht nur um den einfachen Konditionen­vergleich und die Suche nach dem „billigsten“ Finanzierer. Auch Verhaltens­weisen verändern sich. Spannend wird, inwiefern es den Banken gelingt, den Wert der persönlichen Beratung zu ver­mitteln. Transparenz ist wichtig, Geschwindig­keit ebenfalls. Doch das Immobilien­finanzierungs­geschäft erfordert auch Vertrauen. Mehrwerte können nur geschaffen werden, wenn ganzheitlich gedacht und agiert wird. Für die Kunden wird es eine spannende Zeit. Drei Monate nach Finanzierungs­antrag auf einen Kredit­vertrag zu warten, sollte der grauen Vergangen­heit angehören. Dort setzen Platt­formen an und können dem Kunden Zeit sparen sowie Transparenz schaffen.

COMPEON: In Fachmedien ist immer häufiger von einer Immobilien­blase die Rede, die zu platzen droht. Was verbirgt sich hinter diesem scheinbar so bedrohlichen Szenario, was sind mögliche Folgen und wie können Unter­nehmer auf diese Situation reagieren?

Silvio Hagemann: Nun, DEN Immobilien­markt gibt es nicht. Es gibt wachsende und schrumpfende Regionen in Deutsch­land, urbane und ländliche Gebiete, Innenstadt- und Stadt­randlagen, unter­schiedliche Ausstattungs­niveaus. Punktuelle Übertreibungen in einzelnen Teilmärkten sind dabei nicht von der Hand zu weisen. Ich halte die Preise, die aktuell in einigen Regionen für bestimmte Gebäude­klassen gezahlt werden eher für Liebhaberei. Eine allgemeine Immobilien­blase kündigt sich hier aber meines Erachtens nicht an.

Denn nach wie vor bringen Investoren einen hohen Eigen­kapital­anteil mit, wenn Immobilien gekauft werden. Die Banken haben zwar aufgrund der hohen Wettbewerbs­dynamik einen höheren Neugeschäfts­druck, vergeben jedoch Kredite weiterhin nicht exzessiv und gehen keine über­proportionalen Risiken ein.

Eine gewisse Gefahr sehe ich durch alternative Finanzierungs­instrumente, die den einen oder anderen Markt­teilnehmer veran­lassen, sich mit billigem Geld einzudecken. Da wir hier sehr lange Lauf­zeiten (über 15 Jahre) beobachten, bin ich gespannt, wofür und ob das Geld hinreichend rentierlich eingesetzt wird. Wenn damit spekuliert wird, dann wird es schmerz­hafte Bereinigungen geben, wenn Märkte korrigieren.

COMPEON: Wo liegen im derzeitigen Markt die größten Heraus­forderungen für Banken und Finanz­dienst­leister – und welche Rolle können Fintechs dabei spielen?

Silvio Hagemann: In erster Linie sollten sich die Banken in ihrem Markt auskennen und weiterhin das Geschäft verfolgen, das sie gut beherrschen. Für Experimente und den Tanz auf vielen Hoch­zeiten wird zukünftig das Eigen­kapital nicht mehr ausreichen. Profitabilität in Zeiten niedriger Zinsen ist der Dreh- und Angelpunkt. Einige Finanz­dienst­leister haben sich bereits in Position gebraucht und treten mit ihren Geschäfts­modellen gegen Geschäfts­banken an, andere versuchen die Kooperation.

Die Entscheidungen, Kooperationen einzugehen, Beteiligungen zu erwerben oder Eigen­entwicklung voran­zutreiben, sind heute in der Gewiss­heit zu treffen, dass nicht jeder Versuch von Erfolg gekrönt sein wird. Fintechs und Proptechs bieten Chancen, da sie innovative Ideen entwickeln, von denen die Banken gerne profitieren wollen. Fintechs können wie Schnellboote agieren, wogegen die Finanz­industrie durch Regulatorik, selbst auferlegten Regeln und volks­wirtschaftliche Verantwortung einer ganz anderen Kontrolle unterliegen, was deren Geschwindig­keit und Handlungs­frequenz beeinflusst. Doch auch Schnellboote gehören zu einer Flotte, wenn das Mutter­schiff den Kurs vorgibt. Wir arbeiten im Privat- und Firmen­kunden­geschäft mit zahlreichen Fintechs zusammen und haben dabei positive Erfahrungen gesammelt.

COMPEON: Wagen wir zum Schluss einen Blick in die „Kristallkugel“: Was werden die größten Heraus­forderungen sein, vor denen die gewerbliche Immobilien­branche steht – sowohl auf Seiten von Unter­nehmen als auch auf Seiten der Finanz­dienst­leister?

Silvio Hagemann: Ich sehe die größte Heraus­forderung, die gefühlt hohe Geschwindig­keit, die vermutlich noch gar nicht so schnell ist, in der Entwicklung mitzugehen, ohne sich vom eigenen Kurs abbringen zu lassen. Das Beispiel Smart Metering zeigt jedoch, dass viel Vorlauf­zeit und Innovation notwendig sein werden, bis in jedem Haus­halt diese techno­logischen Instrumente vorhanden sind. Die Frage des Nutzens für den Anwender darf auch nicht außer Acht gelassen werden, sonst wird sich solch ein Ansatz kaum durch­setzen.

Die Politik – auf nationaler wie auch auf Ebene der EU stellt – eine Heraus­forderung dar. Verlässlich­keit und Planbar­keit sind dabei uner­lässlich.

Die Demographie, die eine sehr langfristige Wirkung entfaltet, wird sich nicht beein­flussen lassen. Auch wenn die Geburten­raten steigen, wird unsere Gesell­schaft ihr Gesicht ver­ändern. Die Generation der 68er geht in Rente. Der Anteil der älteren Jahrgänge in der Gesell­schaft nimmt zu. Ich hoffe, wir denken bei unseren heutigen Ent­scheidungen noch an die Folgen, die die Kinder unserer Kinder erleben werden.

COMPEON: Wir danken Ihnen für das spannende Interview, Herr Hagemann.

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