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Explodierende Energiekosten: Ungewisse Preissteigerungen und Liquiditätsengpässe belasten kleine, mittelständische und große Unternehmen

Der Krieg gegen die Ukraine hat die Belastung der Unternehmen durch hohe Energie- und Rohstoffpreise nochmals verstärkt und zu einer intensiven Debatte über Wirtschaftssanktionen gegenüber Russland geführt. Dabei steht auch zur Diskussion, keine russischen Erdgaslieferungen mehr zuzulassen.

Die Leopoldina verweist hier als kurzfristige Lösung auf einen geringeren Verbrauch. Doch der gewerbliche oder gar industrielle Verbrauch lässt sich kurzfristig kaum einschränken. Bereits in der jüngsten DIHK- Konjunkturumfrage (Deutscher Industrie- und Handelskammertag) kurz vor Kriegsbeginn nannten bereits zwei Drittel der Betriebe aus allen Branchen und Regionen die Energie- und Rohstoffpreise als großes Geschäftsrisiko. In der Industrie berichteten sogar 85 Prozent von ernsten Sorgen.

Damit liegen diese Werte so hoch wie noch nie. Und nun verschärft sich die Situation noch weiter. Es werden also andere Lösungen benötigt.

Viele Unternehmen hatten aufgrund der sehr hohen Preise in den vergangenen Monaten beim Energieeinkauf abgewartet oder nur für kurze Zeiträume Lieferverträge abgeschlossen. Bei Ausbruch des Krieges in der Ukraine hatte nach einer aktuellen Umfrage der DIHK bei 2.000 Betrieben aller Branchen die Hälfte der Unternehmen ihre Strom- und Gasbeschaffung für das laufende Jahr noch nicht abgeschlossen. Fast jedes dritte Unternehmen muss noch mehr als 70 Prozent des für 2022 benötigten Stroms einkaufen, ein Viertel sogar noch mehr als 70 Prozent seiner Gasmenge beschaffen – nun mit weitaus höheren Kosten.

Betriebe von klein bis groß stark beeinträchtigt

Der sprunghafte Preisanstieg trifft die deutschen Unternehmen somit massiv. Mittelständler mussten auch aufgrund staatlicher Zusatzlasten bereits in Vor-Krisenzeiten die höchsten Preise im europäischen Vergleich zahlen – fast doppelt so viel wie zum Beispiel vergleichbare Unternehmen in Frankreich. Diese Preissteigerung führt aktuell zu immer mehr Liquiditätsengpässen und gefährdet bei immer mehr Unternehmen somit auch auf kurz oder lang die Existenz. Besonders Branchen, die durch die Corona-Krise bereits stark beeinträchtigt sind, haben oftmals keine Reserven, auf die sie zurückgreifen können.

Ganze Industriebranchen schlagen Alarm und weisen darauf hin, dass sie unter diesen Umständen den Produktionsstandort Deutschland nicht halten werden können.

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz hat zusammen mit dem Finanzministerium am 4. April 2022 ein Maßnahmepaket vorgestellt, mit dem Unternehmen unterstützt werden sollen, die von den Sanktionen gegen Russland betroffen sind und bei der Bewältigung der Herausforderungen Unterstützung brauchen. Es soll darum gehen, kurzfristig Liquidität sicherzustellen.

Diese Liquiditätshilfen umfassen:

  • Ein KfW-Kreditprogramm, um kurzfristig die Liquidität der Unternehmen zu sichern. Unternehmen aller Größenklassen erhalten Zugang zu zinsgünstigen, haftungsfreigestellten Krediten. Das Programm wird ein Volumen von ca. bis zu 7 Mrd. Euro beinhalten.

  • Einzelne, bereits während der Corona-Pandemie eingeführte Erweiterungen bei den Bund-Länder-Bürgschaftsprogrammen für von dem Ukraine-Krieg nachweislich betroffene Unternehmen, sollen fortgesetzt werden. Dies betrifft die Bürgschaftsbanken und das Großbürgschaftsprogramm.

 

Um darüber hinaus Vorsorge zu treffen für den Fall, dass sich die wirtschaftliche Lage eines Unternehmens bis hin zu existenzbedrohenden Situationen verschlechtert, bereitet die Bundesregierung folgende ergänzende Maßnahmen vor:

  • Einen Kostenzuschuss zur temporären Kostendämpfung des Erdgas- und Strompreisanstiegs für besonders betroffene Unternehmen.

  • Ein Finanzierungsprogramm für durch hohe Sicherheitsleistungen (Margining) gefährdete Unternehmen durch mit einer Bundesgarantie unterlegte Kreditlinie der KfW zu gewähren.

  • Zielgerichtete Eigen- und Hybridkapitalhilfen – für Einzelfälle zunächst technisch über Zuweisungsgeschäfte der KfW abbildbar.

 

Ein Mix aus kurz-, mittel- und langfristigen Maßnahmen wird notwendig – für jedes Unternehmen individuell anders.

Wie schätzt ein Experte die weltpolititsche Situation der explodierenden Energiekosten ein?

Wir haben für Sie bei Malte Küper vom Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln nachgefragt:

1. Die Energiekosten steigen durch den Ukraine-Konflikt täglich höher. Welche berechtigten Sorgen machen sich die Unternehmerinnen und Unternehmer hinsichtlich ihrer Energiekosten? Was sind Ihrer Meinung nach realistische Szenarien für den Winter 2022/2023?

Der sprunghafte Anstieg der Gas- und Rohölpreise an den Börsen zu Beginn der russischen Invasion in die Ukraine hat sich in den letzten beiden Wochen wieder ein Stück weit normalisiert und es kann ein leichter Rückgang der Preise beobachtet werden. Trotzdem verbleiben die Preise auf einem hohen Niveau und belasten insbesondere energieintensive Unternehmen erheblich.
Als große Unbekannte steht zudem weiterhin ein Embargo auf russische Energielieferungen im Raum. Sollte dieses Szenario eintreten, droht insbesondere beim Gas in den nächsten beiden Jahren eine Unterversorgung, da Alternativen wie Flüssiggas erst schrittweise zur Verfügung stehen und der Gasverbrauch in vielen Bereichen kurzfristig nicht nachhaltig reduziert werden kann. Weil die meisten Unternehmen, anders als beispielsweise Haushalte, als nicht-geschützte Gasverbraucher gelten, würden sich Versorgungslücken hier am deutlichsten auswirken.

2. Welche Wege sehen Sie für deutsche Unternehmen, um sich in punkto Energieversorgung unabhängig zu machen und für die Zukunft aufzustellen?

Auf deutscher und europäischer Ebene laufen die Bemühungen zur Abkehr von russischen Energielieferungen auf Hochtouren. Insbesondere Flüssiggas, das per Schiff beispielsweise aus den USA oder Katar importiert werden kann, hat das Potenzial einen Großteil der russischen Gaslieferungen zu kompensieren.
Gleichzeitig wissen wir nicht erst heute, dass die Energieversorgung der Zukunft ganz ohne fossile Energieträger auskommen muss. Dafür braucht es große Mengen erneuerbaren Stroms aus Wind- und Solaranlagen, deren Ausbau viel konsequenter vorangetrieben werden muss als zuletzt. Unternehmen haben hier die Möglichkeit, sich durch eigene erneuerbare Anlagen oder Power Purchase Agreements (PPA) direkt zu beteiligen.
In einigen Branchen wie beispielsweise der Stahl- oder Chemieindustrie wird zukünftig zudem grüner Wasserstoff eingesetzt werden müssen, da eine direkte Umstellung auf Strom nicht in allen Prozessen möglich ist. Damit dies gelingt, muss sowohl national, als auch international am Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft gearbeitet werden. Stand heute existiert kein Markt für grünen Wasserstoff.

3. Inwieweit könnte diese Krise zu einem Umdenken in Richtung erneuerbare Energien statt fossiler Brennstoffe führen?

Ich würde nicht von einem Umdenken sprechen, denn schon vor der Krise war klar, dass die nationalen und europäischen Klimaziele nur durch die Abkehr von fossilen Brennstoffen erreicht werden können. Die jetzige Krise hat allerdings das Potenzial, das Tempo, in dem dieser Wandel vollzogen wird, zu beschleunigen. Das Narrativ der erneuerbaren Energien als „Freiheitsenergien“ kann dabei helfen, die gesellschaftliche Akzeptanz für neue Windanlagen oder Transportinfrastrukturen zu erhöhen.
Dass insbesondere die Versorgung mit Erdgas in den kommenden Jahren gefährdet ist, ist aus klimapolitischer Sicht allerdings von Nachteil. Erdgas, das geringere Emissionen als Stein- oder Braunkohle aufweist, war eigentlich als Übergangsenergieträger für die nächsten Jahre eingeplant und sollte die wetterabhängige Erzeugung der Erneuerbaren ausgleichen. Weil Erdgaskraftwerke mit überschaubarem Aufwand langfristig auch auf grünen Wasserstoff umgestellt werden können, drohten hier zudem keine Fehlinvestitionen. Ob die Rolle von Erdgas als Übergangsenergieträger nach dieser Krise bestand hat ist allerdings fraglich.

4. Wenn Sie Unternehmer wären, was wären Ihre Maßnahmen, um sich mit Ihrem Unternehmen für die Energieversorgung der Zukunft aufzustellen?

Ich würde als Unternehmer im Rahmen meiner betrieblichen Möglichkeiten noch schneller den Umstieg auf erneuerbare Energieträger vorantreiben. Günstiger grüner Strom und Wasserstoff werden in den nächsten Jahren zu einem entscheidendem Standortvorteil werden. Eigene Erzeugungsanlagen oder frühzeitige Vereinbarungen, zum Beispiel im Rahmen von Power Purchase Agreements, sind sinnvoll, um sich einen wettbewerblichen Vorteil zu verschaffen.

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